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Waldsassen – Marginalisierte Frauen

Fehldeklaration

Immer wieder kommt es vor, dass hochwertige Honige von der „Stiftung Warentest“ als „mangelhaft“ bewertet werden. Der Grund: Deklarationsfehler. Wenn beispielsweise „Lindenhonig“ auf dem Etikett steht, muss im Glas auch „vollständig oder überwiegend“ Lindenhonig enthalten sein, sonst fällt er bei der Prüfung durch.

In dem Jubiläumsband „Die Zisterzienserinnen in Waldsassen“ beschäftigen sich, wie schon das Inhaltsverzeichnis zeigt, 18 der 22 Fachbeiträge vollständig oder überwiegend mit der Geschichte des ehemaligen Männerklosters. Der Deklarationsfehler dürfte dem verständlichen Bedürfnis der Zisterzienserinnenabtei geschuldet sein, publizistisch auf sich aufmerksam zu machen. Doch manche der großenteils hochwertigen Aufsätze werden nun vielleicht deswegen nicht gelesen, weil man sie in einem Buch über Zisterzienserinnen nicht sucht.

Über deren 156jährige Geschichte hätte es allerdings sehr viel zu schreiben gegeben. In den Beiträgen von Camilla Weber und Peter Pfister sind zahlreiche Desiderate benannt: eine Schul- und eine Wirtschaftsgeschichte, prosopographische Forschungen, Untersuchungen zur Bedeutung der Administratoren und Beichtväter, zur Beteiligung Waldsassens an der Bolivienmission, zum Wirken der Marianischen Kongregation, zur klösterlichen Alltagsgeschichte, zur Festkultur. Ein wichtiger Schritt zur Quellenerschließung wäre eine kritische Edition der Klostertagebücher, die seit Beginn von den Priorinnen handschriftlich geführt werden. Keine dieser Lücken wurde aufgefüllt, obwohl es bei der Vorbereitung des Bandes zu einer Konzeptänderung kam.

Frauen im äußersten Westen

Dass in den Studien zur Geschichte der vormodernen Männerabtei Frauen keine nennenswerte Rolle spielen, ist in den historischen Gegebenheiten begründet. Ursprünglich war Frauen der Zutritt zu Zisterzen völlig verwehrt, selbst zu den Klosterkirchen. Sie tauchen am ehesten in der Geschichte eines Mönchsklosters auf, wenn sie als Stifterinnen zu seinem Wohl aktiv wurden.

Ein künstlerisches Dokument der Marginalisierung von Zisterzienserinnen ist in der Waldsassener Basilika zu finden. Entlang der Pilaster in Langhaus und Chor gibt es einen Zyklus freskierter Medaillons, die Heilige des Zisterzienserordens zeigen. Ihr Anordnungsprinzip folgt den Stufen der kirchlichen Hierarchie. Links und rechts des Hochaltares sind die heiligen Zisterzienserpäpste Eugen III. und Alexander III. zu sehen. Es folgen von Ost nach West je zwei Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe usw. Bis „hinab“ zu den Laienbrüdern handelt es sich durchweg um Männer. Erst ganz im Westen über der Eingangszone, dort, wo der sakrale in den weltlichen Raum übergeht, findet man zwei weibliche Heilige: Luitgard und Humbelina. Für Luitgard von Tongern wurde als Bildmotiv der „Amplexus“ gewählt, der besser aus der Ikonographie des hl. Bernhard bekannt ist: Der Gekreuzigte hat die Arme vom Querbalken gelöst und beugt sich herab, um den Heiligen zu umarmen. Der hl. Luitgard gewährt er in Waldsassen nur einen Arm – auch das vielleicht ein Zeichen der Herabstufung gegenüber Bernhard.

Kunsthandwerk, Buchdruck, Zweckehen – Frauen im vormodernen Waldsassen

Auch eine feministisch supervidierte Klostergeschichte wird natürlich nicht imstande sein, Frauen in der Historie der vormodernen Abtei einen gleichwertigen Platz neben den Männern einzuräumen. Im Interesse heutiger Geschlechtergerechtigkeit könnte der Geschichte der Frauen in Waldsassen und seinem Stiftland aber doch mehr Beachtung geschenkt werden.

Im kulturellen Gedächtnis des Klosters spielt beispielsweise Magdalena Sinner eine gewisse Rolle. Sie war es, die 1721 den ersten der Heiligen Leiber in der Stiftskirche fasste – den des hl. Deodatus –, steht allerdings im Schatten von Fr. Adalbert Eder, der die übrigen Katakombenheiligen so lebendig auf den Seitenaltären arrangierte. Zumindest eine Erinnerung verdient auch Maria Ursula „Witzin“, die Witwe des ersten Waldsassener Druckers Daniel Carl Witz, die dessen Familienbetrieb von 1742 bis 1746 weiterführte (anbei ein Beispiel).

Erkennbar kam Frauen eine funktionale Rolle für die Etablierung eines „Künstler-Netzwerks“ vor Ort zu. So wurde die Waldsassenerin Maria Elisabeth Hager 1682 die Frau des Baumeisters Georg Dientzenhofer und im Jahr nach dessen 1989 erfolgtem Tod die seines Nachfolgers Bernhard Schießer. Ihre Schwester wurde 1685 die Gattin von Leonhard Dientzenhofer. Der Stuckateur Paolo Marazzi heiratete 1726 Magdalena, die Tochter von Maria und Bernhard Schießer. Weitere derartige Verbindungen ließen sich ergänzen.

Wer weiß, welche anderen Beispiele der Wirksamkeit oder der Instrumentalisierung von Frauen sich noch finden ließen?!


Literatur:

Drost, Ludger: Basilika Waldsassen. Stadtpfarrkirche und Basilica minor Mariä Himmelfahrt und Johannes Evangelist, Passau 2020, 23.

Klemm David, Ausstattungsprogramme in Zisterzienserkirchen Süddeutschlands und Österreichs von 1620 bis 1720 (Europäische Hochschulschriften: Reihe XXVIII, Kunstgeschichte, Bd. 293) Frankfurt/M. u. a. 1997, 100ff.

Leutheußer Sabine, Die barocken Ausstattungsprogramme der ehemaligen Zisterzienser-Abteikirchen Waldsassen, Fürstenfeld und Raitenhaslach (tuduv-Studien: Reihe Kunstgeschichte 61) München 1993, 196ff.

Pfister, Peter (Hg.): Die Zisterzienserinnen in Waldsassen. „Die auf den Herrn vertrauen, schöpfen neue Kraft“, Regensburg 2020; darin u. a.: Weber, Camilla: Die Geschichte des Zisterzienserinenklosters Waldsassen seit der Gründung im Jahr 1864 (S. 129–149); Pfister, Peter: Der Konvent der Zisterzienserinenabtei Waldsassen 1864–1690 (S. 293–321).

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