Der Sammelbegriff „Oberpfälzer Klöster“ kann aus historischer Sicht zweierlei bedeuten. Es können die Klöster gemeint sein, die im heutigen Regierungsbezirk Oberpfalz liegen; oder aber diejenigen Konvente, die bis zur Säkularisation 1802/03 im Territorium der „Oberen Pfalz“, bis 1329 im sog. bayerischen „Nordgau“ lagen. Vor allem diesen klösterlichen Stätten und Gemeinschaften wird hier Aufmerksamkeit geschenkt – und auch ähnlichen Ordenseinrichtungen wie dem Amberger Jesuitenkolleg oder den Ritterordenskommenden.
Manchmal sind Funde von Quellen und historischen Überresten zu unbedeutend, um eine Würdigung in gedruckter Form zu finden. Manchmal sind sie wichtig, sodass ein Austausch über sie geboten scheint. Manchmal sind sie zu reizvoll, um sie als Finder für sich zu behalten. Der Oberpfälzer Klosterblog möchte Platz für solche Funde bieten.
Gastbeiträge sind willkommen!
Auch in unserer säkularen Welt strahlen die Klöster auf ihre Umgebung aus. Wo es noch Konvente gibt, treten sie nicht nur als religiöse, sondern auch als kulturelle und wirtschaftliche (Inter-) Akteure auf. Wo das Ordensleben erloschen ist, wirkt seine Geschichte trotzdem oft nach – im kulturellen Gedächtnis der Anwohner beispielsweise oder in der touristischen Attraktivität der ehemaligen klösterlichen Stätte. Der Oberpfälzer Klosterblog möchte Platz bieten, auf derart geprägte Phänomene und Ereignisse aufmerksam zu machen.
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Vieles, was mit den klösterlichen Stätten und in ihrem Umfed geschieht, ist diskussionswürdig, gelegentlich auch fragwürdig. Vieles ist auf den Diskurs regelrecht angewiesen. Der Oberpfälzer Klosterblog ist offen für Reflexionen über Ereignisse und Planungen.
Gastbeiträge sind willkommen!
Hier ist Platz für Open Access-Artikel, Text- und Bildquellen zu den Oberpfälzer Ordenshäusern.
In einem Literaturverzeichnis sind die im Blog berücksichtigten Publikationen aufgelistet.
Abb. der Diashow: Luftaufnahme des Klosters Michelfeld: http://www.oberpfalz-luftbild.de; alle übrigen: Georg Schrott.
NEUESTER BEITRAG:
Auf der „Wissen“-Seite der „Süddeutschen Zeitung“ wurde vor wenigen Tagen der Forschungszweig der Ikonodiagnostik vorgestellt: die Identifikation und Interpretation von Krankheitssymptomen in Kunstwerken. Die Bemühungen der Spezialisten beschränken sich nicht auf hochgradig realistische Porträts, sondern beziehen selbst noch stark stilisierte frühantike Statuen mit ein. Zum Zweck solcher Forschung wird der Pathologe Andreas Nerlich von der LMU München zitiert: „Unser Hauptziel ist es, die Wahrnehmung von Krankheit und den Umgang damit in früheren Zeiten zu verstehen“. Eine eigene Gesellschaft widmet sich mittlerweile dem Forschungsfeld: die International Society of Icono-diagnosis.
Bereits 2010 gab es im „Freitag“ einen Bericht zu diesem interdisziplinären, die Medizin-, Kunst- und Sozialgeschichte berührenden Thema. Aber auch da handelte es sich beileibe um kein absolutes Novum. Schon 1962 befassten sich die Münchener Dermatologen Alfred Marchionini und Friedrich Schröpl mit der „Darstellung von Hautkrankheiten im Bibliothekssaal des Klosters Waldsassen“. Nach ihren Erkenntnissen sind gleich vier der von Karl Stilp geschaffenen Bibliotheks-Atlanten von pathologischen Hautveränderungen gezeichnet. So sind im Gesicht der orientalisch gekleideten Figur (nach damaliger Deutung der „Buchhändler“) acht Tumoren („papillomatöse Zellnaevi“) zu entdecken. In zwei anderen Fällen sind auch für Laien die Pockennarben erkennbar. In einem vierten Fall scheint Syphilis vorzuliegen.
Marchionini und Schröpl belassen es weitgehend bei dermatologischen Fragestellungen. Ihre kleine Studie ist aber auch interessant für die Entstehungsgeschichte von Stilps Skulpturen. Aus der sehr realistischen Darstellung der Symptome folgern sie, dass er bei der Verfertigung Personen aus seiner Umgebung als Modelle genutzt haben muss, deren Erkrankungen er naturgetreu nachschnitzte.
Baumgartl weist darauf hin, dass die Krankheiten in barocker Perspektive interpretiert werden müssen und einen allegorischen Sinn aufweisen dürften. Als Annäherung an eine mögliche Deutung zitiert er aus verschiedenen frühneuzeitlichen Publikationen, etwa eine Stelle aus Petrus Berchorius‘ 1692 gedrucktem „REDUCTORIUM MORALE“, zu übersetzen etwa folgendermaßen: „Tatsächlich tauchen auf der Haut des menschlichen Verhaltens oft die Krankheiten verschiedener Sünden auf. Denn da erscheint der Riss von Zorn und Zwietracht, die Furche der Bosheit und des Neides, die Beschwerde des lärmenden Stolzes, die Flechte des juckenden Geizes, die Kratzwunde der Unehrlichkeit und Unverschämtheit, die Blässe und der Hautfleck der Traurigkeit, der Aussatz und die Ansteckung der Wollust.“
Als Sinn der Atlanten ist heute Baumgartls Deutung als Verkörperungen von Stufen des Hochmuts gängig. Bisher hat aber niemand geklärt, wie sich die Schadensbilder der Haut diesen Stufen – es handelt sich um die Auflehnung, die Faulheit, die Spottlust und die Neugier – zuordnen lassen.
Lit.:
Bartens, Werner: Die Kunst der Diagnose. Tumoren, Wucherungen und Nervenschäden: Ikonodiagnostiker suchen nach Krankheiten in Kunstwerken. Über ein ungewöhnliches Forschungsprojekt mit praktischem Nutzen, in: Süddeutsche Zeitung, 28.1.2025 (Online-Version: 27. Januar 2025).
Baumgartl, Edgar: Stiftsbibliothek Waldsassen. Cisterciensische Geistigkeit am Beginn der Aufklärung (Große Kunstführer 157) München – Zürich 1989, 80 u. 103.
Marchionini, Alfred/Schröpl, Friedrich: Dermatologie und Kunst. Über die Darstellung von Hautkrankheiten im Bibliothekssaal des Klosters Waldsassen, in: Der Hautarzt 13 (1962) 131–134.
Abb.:
Der Bibliotheksaal des Klosters Waldsassen/Oberpfalz (Hg. Zisterzienserinnenabtei Waldsassen) München o. J. [1953/58?], unpag. [fol. VIr]; Fotografie (Ausschnitt): Handabzug von Kurt Scherbaum.