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Akanthus als Kirchenschmuck in der Waldsassener Stiftsbasilika

 Mit einer Bildergalerie von Fedinand Sperber, Waldsassen

 

Acanthus mollis
Acanthus mollis

Acanthus mollis, der „Wahre Bärenklau“, ist ein Lippenblütler, der im Mittelmeerraum als Wildkraut oder Zierpflanze oft zu finden ist. Auch milde Winter in Mitteleuropa übersteht er mühelos. Trotz der Namensgleichheit ist er nicht mit der botanisch ganz andersartigen Herkulesstaude („Riesenbärenklau“) verwandt.

In der Vormoderne wurde die Pflanze medizinisch genutzt. Zedlers „UNIVERSAL LEXICON“, eines der einschlägigen Nachschlagewerke im 18. Jahrhundert, schreibt hierzu beispielsweise: „Die Wurtzel trucknet, zertheilet, macht dünn und treibet den Urin, ist den Schwindsüchtigen und gebrochenen sehr bequem. Aeusserlich legt man sie auch auf die verbranten und verrenckten Glieder.“

Zedler behandelt den Akanthus aber auch unter künstlerischen Aspekten: „Die Einschnitte in dem Kraute der Bären-Klau sehen so gar artig aus, daß sie zu einer Zierrath an der Corinthischen Säulen-Ordnung erwehlet und gemacht sind worden.“ Vom Altertum bis zum Klassizismus und Neo-Barock findet man ihn in dieser Form immer wieder, wie hier zwei willkürliche Beispiele aus Rom zeigen: an den antiken Säulen des Mars-Tempels auf dem Augustusforum und an den Pilastern des Petersdoms.

 

Als Symbol der Unsterblichkeit war der Akanthus ein wichtiges Motiv der antiken Grabkunst. So konnte er auch im Christentum als Dekorationselement besonders in eschatologischen Sinnzusammenhängen Verwendung finden. Im Laubwerk des barocken Kirchenstucks ist er weit verbreitet. Eine künstlerische Sonderform stellen die oberpfälzischen und böhmischen Akanthus-Altäre dar.

 

Der Akanthus ist auch in einem der berühmtesten botanischen Werke der Frühen Neuzeit zu finden: im „HORTVS EYSTETTENSIS“, der die Pflanzen des bischöflichen Gartens von Eichstätt zeigt (hier der Link zu einem kolorierten Exemplar der ersten Auflage von 1613). Ein unkoloriertes Exemplar des Druckes überließ der Eichstätter Bischof Raymund Anton von Strasoldo im Jahr 1780 der Abtei Waldsassen, als er bei einem Besuch das Fehlen des Werkes in der Bibliothek konstatieren musste. Er fand: „Die Bibliothek hier ist wert, auch dieses Denkmal zu besitzen!“

 

In der Stiftsbasilika Waldsassen findet man das Akanthus-Motiv an verschiedensten Stellen im Wand- und Deckenstuck von Giovanni Battista Carlone. Doch auch im Schnitzwerk der Gestühle von Martin Hirsch, am Orgelgehäuse und an Reliquiaren wurde es in unzähligen Varianten verwendet. Eine Bildergalerie von Ferdinand Sperber vermittelt einige Eindrücke.


Literaturhinweis:

 

Besler, Basilius: HORTVS EYSTETTENSIS […], o. O. [Nürnberg] 1713 [ca. 1750], Sommerteil, XI. Ordnung, Tafel 2 (Provinzialbibliothek Amberg: Hist.nat.bot. 52; Provenienz: Waldsassen).

Binhack, Franz: Geschichte des Cisterzienser-Stiftes Waldsassen unter dem Abte Wigand von Deltsch (1756–1792) nach handschriftlichen Quellen bearbeitet (Programm des K. Gymnasiums Eichstätt 1895/96), Eichstätt 1896, 9f.

Drost, Ludger: Basilika Waldsassen. Stadtpfarrkirche und Basilica minor Mariä Himmelfahrt und Johannes Evangelist, Passau 2020.

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