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Einsiedler und Klosterstifter – ein frühneuzeitlicher Bildtopos

Gerwig von Volmarstein, einstiger Turniergefährte des Markgrafen Diepold, hat sich mit einigen Gefährten in die Waldeinsamkeit des Nordgaus zurückgezogen, um sein Leben ganz Gott zu weihen. Da steht ihm eines Tages Diepold gegenüber, von dem er glaubte, er habe ihn bei einem Turnier versehentlich getötet – Grund seiner Abkehr von der Welt. Gerührt von dem unverhofften Wiedersehen, schenkt Diepold seinem alten Freund genug Land, um ein Kloster zu gründen. So entsteht die Zisterze Waldsassen, zumindest gemäß der Klostergründungsgeschichte aus der Zeit um 1300.

Im barocken Neubau der Waldsassener Stiftskirche ließen die Mönche die Begegnung zwischen Gerwig und Diepold ins Bild setzen – als Teil eines 1695 gemalten Freskenzyklus, der den gesamten Mönchschor durchzieht. Die Bilderfolge nimmt eine eigentümliche Zwischenstellung ein: Einerseits handelt es sich um Historienmalerei, andererseits wurden Gerwig und Diepold zur Zeit der Ausmalung als Selige betrachtet. Der Maler, Jakob Steinfels, gab ihnen aber keine Aureolen als Attribut.

Die Klostergründung im Wald war mit einer Reihe charakteristischer Narrative verbunden, die zuletzt beispielsweise für die Klöster Ettal und Waldsassen näher analysiert wurden. Den Erzählmustern stehen außerdem Bildmuster zur Seite, wie das Waldsassener Beispiel zeigt. Die Begegnung zwischen Gerwig und Diepold ähnelt in vielen Zügen derjenigen zwischen dem seligen Utto und Karl dem Großen, die Matthäus Raders „Bavaria Sancta“ aus dem Jahr 1624 als Illustration beigegeben ist. Die Legende erzählt hier ganz ähnlich, Utto habe im Wald als Einsiedler gelebt, wo Karl bei der Jagd auf ihn traf und seiner Bitte folgte, eine Mönchsniederlassung zu gründen, das nachmalige Kloster Metten.

In beiden Bildern treffen auch zwei Lebenswelten aufeinander mit zwei ganz gegensätzlichen Bezügen zum Umraum des Waldes: Zivilisationsferne Einsiedler in schlichter Kleidung, die in der Wildnis eine roh gezimmerte Hütte bewohnen. Und eine aristokratische Jagdgesellschaft, ausgestattet mit reich gestalteten Kostümen, Hüten und Stiefeln, mit Waffen, Pferden und Hunden. Die Bildgeometrie trennt beide Welten voneinander, eine Beinahe-Verbindung wird interessanterweise jeweils von den Hunden hergestellt.

 

Textquellen:

Holder-Egger, Oswald (Hg.): Fundatio monasterii Waldsassensis, in: Monumenta Germaniae Historica inde ab anno Christi quingentesimo usque ad annum millesimum et quingentesimum. Scriptorum tom. XV. Pars II, Hannover 1888, 1088-1093.

Rader, Matthäus: BAVARIÆ SANCTÆ VOLUMEN ALTERUM..., München 1624, 125.

 

Literaturempfehlungen:

Malzer, Christian: Wald- und Jagdmotive in den Gründungslegenden altbayerischer Benediktinerklöster, in: Forum Forstgeschichte. Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Arbeitskreises Forstgeschichte (Hg. Joachim Hamberger) (Forstliche Forschungsberichte München 216) Landshut 2017, 96–102.

Ders.: (Vor)klösterliche Kulturlandschaft. Der Ettaler Gründungsmythos vom wilden Wald als Identitäts- und legitimitätsstiftende Erzählung, in: Die Ettaler Klosterwälder im Wandel der Geschichte. Geschichten, Gestalten, Geschichte (Hg. Klaus Pukall) (Ettaler Manndl 93, Sondernummer) Murnau 2018, 36–175, v. a. 95ff.

Ders.: Über die Landschaft lesen – Das Waldsassener Stiftland als zisterziensische Bewährungs-, Kultur- und Erinnerungslandschaft. Reading the Landscape – The Monastic Lands of Waldsassen as a Cistercian Probational, Cultural and Memorial Landscape, in: Gunzelmann, Thomas/Kastner, Birgit (Hgg.): Vielfalt in der Einheit – Zisterziensische Klosterlandschaften in Mitteleuropa. Diversity in Unity – Cistercian Landscapes in Central Europe. Fachtagung zum Europäischen Kulturerbejahr 1.–3. Juni 2018 in Ebrach/Burgwindheim. Symposium for the European Year of Cultural Heritage 1.–3. June 2018 in Ebrach/Burgwindheim, Lindenberg 2019, 123–131.

Schlecht, Anke: Zisterziensische Spiritualität und selbstbewusste Positionsbestimmung. Die Decken- und Wandmalereien von Johann Jakob Steinfels in Waldsassen, in: Stiftsbasilika Waldsassen. Raumgestaltung – Bewahrung – Instandsetzung, Regensburg 2017, 57–67.

 

Abbildungen: Ferdinand Sperber, Waldsassen; Rader, BAVARIÆ SANCTÆ VOLUMEN ALTERUM, 125.

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