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Michael Doeberl (1861–1928)

Wer war Michael Doeberl?

Ein Ebay-Fund gab Anlass zum Blättern in alten Schriften. Es handelt sich um ein Porträtfoto, auf der Rückseite schlicht beschriftet mit den Worten: „Geheimrat Michael Doeberl“. Der Ebay-Händler gibt an, es stamme „aus einem Bildernachlass eines Verlages“.

Doeberl ist nicht unbedeutend für die Geschichtsschreibung über die Oberpfalz und über Waldsassen, wo er 1861 auch geboren wurde. Ihm wurde ein Besuch des Gymnasiums im Benediktinerkloster Metten ermöglicht. Danach studierte er Philologie und Geschichte in München und promovierte 1884 über „Reichsunmittelbarkeit und Schutzverhältnisse des ehemaligen Cisterzienserstiftes Waldsassen“. Nach verschiedenen Stellen als Schul- und Universitätslehrer wurde er 1908 ins Kultusministerium berufen, 1917 als Ordinarius für bayerische Geschichte an die Universität München. Die Kommission für bayerische Landesgeschichte zählt ihn zu ihren Mitbegründern. Er starb 1928.

Dass Doeberl zu einem führenden Landeshistoriker wurde, schreibt man allgemein seiner Prägung durch klösterliche Milieus, nämlich seiner Herkunft aus Waldsassen und seiner Ausbildung in Metten zu, so Prof. Heinrich Günter in seiner Grabrede für Doeberl„Ein feinsinniger, kluger Lehrer am Gymnasium in Metten hat den heiligen Funken geweckt. Und die engste Heimat trug der jungen Begeisterung das geeignete, würdige Objekt entgegen, Kloster Waldsassen, in Doeberls Jugend wissenschaftlich noch völliges Brachland. Und da es sich um ein Zisterzienserkloster handelte mit seinen neuen Wirtschafts- und Verfassungs-Problemen, war mit der ersten Liebe auch die Richtung der Studien festgelegt: Heimat- und Verfassungsgeschichte in immer weiter ausholenden Kreisen füllen sein Lebenswerk.“

Landesgeschichtsschreibung vor hundert Jahren

Schlägt man in Doeberls „Entwickelungsgeschichte Bayerns“ die Passagen über die Oberpfälzer Klostregründungen auf, so klingt manches für heutige Ohren irritierend: 

„Ein anderes wichtiges Kapitel in der Expansionskraft des bayerischen Stammes ist die bayerische Kolonisation nördlich der oberen Donau, auf dem Nordgau.“ (Bd. 1, 132) Diese Kolonisation sei „ein gewaltiges Resultat baiuvarischer Kulturarbeit“ (133) gewesen und habe „von geistlicher Seite her ... neue Impulse durch die Klostergründungen der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, Ennsdorf, Micheldorf [sic!], Reichenbach, Speinshart, ganz besonders durch die Niederlassung der Zisterzienser zu Waldsassen“ (134) bekommen. „Waldsassen bringt nicht bloß neues Leben in die innere Kolonisation, in den Ausbau des dem Deutschtum bereits gewonnenen Grund und Bodens, es greift von Anfang an über die von der deutschen Kolonisation hier erreichte Siedlungsgrenze hinaus und gewinnt ausgedehnte slavische Gebiete dauernd für deutschen Anbau und deutsche Kultur ... Hieran stößt das Arbeitsfeld des ... Waldsassener Tochterklosters Ossegg ... So hat Waldsassen mit seiner Ossegger Kolonie zwischen den Hängen des Erzgebirges und dem Tale der Eger ein deutsches Siedlungs- und Sprachgebiet geschaffen.“ (134f.)

Anton Doeberl hatte sicher recht, wenn er die Biographie seines Onkels mit den Worten einleitete: „Nationales Empfinden für einen starken Staat und überzeugte Hochschätzung der religiösen, kulturellen und nationalen Werte der Kirche waren scharf ausgeprägt in dem bayerischen Historiker Michael Doeberl.“ Geschrieben 1939, mitten im nationalsozialistischen Kirchenkampf, war dies nicht nur eine rhetorische Beschwichtigungsgeste gegenüber den Machthabern.

Nachrufe von Waldsassenern

Zu Doeberls Beisetzung im Jahr 1928 reiste eigens eine Waldsassener Abordnung nach München, um einen Kranz am Grab niederzulegen. Bürgermeister Josef Hierl verlieh in einer Rede der tiefen Trauer der Stadt Ausdruck „über das Ableben ihres so hoch verdienten und allseits geachteten, geliebten und verehrten Sohnes und Ehrenbürgers.“ Der Verstorbene habe sich „aus kleinsten Verhältnissen mit eigener Kraft und unter Überwindung großer Schwierigkeiten ... zu dem großen Gelehrten und Meister emporgearbeitet“ und „mit unverbrüchlicher Treue an seiner Heimat ... bis zum letzten Atemzuge“ gehangen. „Kein Jahr seines Lebens verging, in dem er nicht einige Wochen der Erholung in unserem Städtchen verbracht hätte, gleich freundlich und liebenswürdig gegen Jedermann“. Dem Redner ist es unter den Fichten auf dem Friedhof so, „als müßte ich den teueren Verstorbenen mit einem Buch in der Hand dahinwandeln sehen unter dem kühlen Schatten unseres schönen, von ihm so geliebten Stiftlandswaldes.“

Doeberls Leben wird auch in einer Biographie gewürdigt, die von seinem schon erwähnten Neffen stammt. Dieser, Anton Doeberl (1879–1940), wurde ebenfalls in Waldsassen geboren. Er wirkte in der Oberpfalz lange als Pfarrgeistlicher, ab 1926 als Regens und schließlich 1940 als Generalvikar in Regensburg. Für die Festschrift zum 1200. Bistumsjubiläum im Jahr 1939 schrieb er eine Kurzbiographie seines Onkels. Auch hier wird dessen enge Bindung an seinen Herkunftsort unterstrichen:

„Waldsassen mit seiner reichen Klostergeschichte und Metten, wo er studiert..., waren für seine geistige und religiöse Bildung wegweisend. Er begann seine wissenschaftliche Arbeit mit einer schmalen, aber bedeutsamen Schrift über die Reichsunmittelbarkeit des Klosters Waldsassen; von hier aus gewann er Zugang zur Geschichte der Ostmark und des Mittelalters ... Von der Geschichte Waldsassens und des nahen, von ihm so gern besuchten Egerlandes her begeisterte er sich für das mittelalterliche Kaisertum ...

Als Nachkomme einer alten bäuerlichen Sippe, die seit vielen Jahrhunderten im Stiftland, im Egerland und in Oberösterreich beheimatet ist, voll rührender Treue gegen seine Heimat, war er konservativ auch in seinem katholischen Empfinden. Namentlich seine Mutter, eine geborene Schmeller, hat auf ihn religiös eingewirkt ...“

 

Lit.:

Doeberl, MichaelReichsunmittelbarkeit und Schutzverhältnisse des ehemaligen Cisterzienserstiftes Waldsassen, Eger 1884; wieder in: Jahresbericht über die Studienanstalt in Passau für das Studienjahr 1885–86, Passau 1886.

Ders.: Regesten und Urkunden zur Geschichte der Dipoldinger Markgrafen auf dem Nordgau (Programm des Kgl. Ludwigs-Gymnasiums in München 1892/93) München 1893

Ders.Quellen und Erörterungen zur Geschichte des Nordgaus, in: Verhandlungen des historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg 45 (1893) 113–129.

Ders.: Entwickelungsgeschichte Bayerns. 1. Bd. Von den ältesten Zeiten bis zum Westfälischen Frieden, München 1906.

Doeberl, Anton: Michael Doeberl. Universitätsprofessor, in: Zwölfhundert Jahre Bistum Regensburg. Festschrift zur Zwölfhundertjahrfeier (Hg. Michael Buchberger) Regensburg 1939, 290f.

Günter, Heinrich: [Grabrede], in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 1 (1928) 133135.

Hierl, [Josef]: [Grabrede], in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 1 (1928) 139.

Schütz, Ernst: Michael Doeberl (1861–1928) und Karl Bosl (1908–1993). Zwei Altmettener Landeshistoriker, in: Alt und Jung Metten 78 (2011/12) H. 2, 238–263 (mit zahlreichen Hinweisen zur älteren Literatur).

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