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Eine Inkunabel aus dem Franziskanerkloster Pfreimd – (Pseudo-) Albertus Magnus: „Super missus est“

 

Ein Gastbeitrag von Hans Rudolph, Frauenzell

 

Die noch im Original-Einband vorliegende Inkunabel in lateinischer Sprache trägt einen alten Besitzeintrag aus dem 1802 (und wieder 1995) aufgelösten Franziskaner-Kloster in Pfreimd. Der Band wurde 2012 bei einer Auktion in England erworben.

Das enthaltene Buch, betitelt mit „albertus magnus super missus est“, weist weder ein Druckjahr noch eine Angabe zu Drucker oder Druckort auf. Diese Angaben finden sich bei Albert Fries im Aufsatz Die unter dem Namen des Albertus Magnus überlieferten Mariologischen Schriften“ und wurden im KVK von allen besitzenden Bibliotheken des deutschen Sprachraums übernommen. Fries nennt den Straßburger Drucker Martin Schott und gibt das Druckjahr mit „zwischen 1485 und 1489, nicht später als 1486“ an. Das Exemplar der British Library, London, nennt als einzige bekannte Datierung die von einem Rubrikator vermerkte Jahreszahl 1489.

Dieses Marienlob („Mariale“) wurde bis ins vorige Jahrhundert dem heiligen Albertus Magnus  („Albert der Große“) (ca. 1193–1280) als Autor zugeschrieben. Inzwischen geht die Forschung jedoch davon aus, dass als Autor des „Mariale“ sowie zahlreicher weiterer Schriften nur ein sogenannter Pseudo-Albertus infrage kommt, der bisher nicht identifiziert werden konnte.

Der Band enthält zahlreiche rubrizierte Initialen, von denen einige (Buchstaben D, P und Q) von alter Hand mit laienhaften Zeichnungen von Gesichtern in schwarzer Tinte geschmückt wurden – sog. Drolerien. Diese zeigen möglicherweise Mitglieder des Franziskaner-Konvents in Pfreimd, der früheren besitzenden Kloster-Bibliothek, wie dies auch von einer Gutenberg-Bibel in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart bekannt ist (dort Mitglieder eines Offenburger Chores des frühen 17. Jahrhunderts).

Mit eingebunden sind zahlreiche leere Blätter anstelle von zwei weiteren Inkunabeln, die früher ebenfalls enthalten waren. Von den auf dem vorderen Spiegel vermerkten Titeln ist die „Stella clericorum“ in verschiedenen Drucken seit 1480 über den KVK nachweisbar. Bei der „Expositio misse et totius canonis …“ handelt es sich möglicherweise um die Inkunabel Officij misse toci[us] canonisq[ue] expositio“ von Nikolaus Stoer, die vor 1485 bei Johann Otmar in Reutlingen gedruckt wurde (im KVK werden zwei Ausgaben von 1481 und 1483 angegeben).

 

Literatur:

Fries, Albert: Die unter dem Namen des Albertus Magnus überlieferten Mariologischen Schriften. Literarkritische Untersuchung (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 37,4) Münster 1954.

Knedlik, Manfred: Hatten Bettelordensbibliotheken „gar keinen Werth“? Zu einem weit verbreiteten Klischee im Umfeld der Säkularisation, in: Armarium. Buchkultur in Oberpfälzer Klöstern. Symposion vom 3. bis 4. Juli 2015 veranstaltet von der Provinzialbibliothek Amberg (Hgg. Georg Schrott/Christian Malzer/Manfred Knedlik) Amberg 2016, 183–196.

 

Abbildungen:

Hans Rudolph, Frauenzell.

 

 

Herrn Rudolph danke ich herzlich für die Überlassung des Beitrags!

 

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