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Zur Karwoche: das Hochaltarbild in der Stiftsbasilika Waldsassen

Wer die Waldsassener Stiftsbasilika durch das Hauptportal betritt, ist vom ersten Moment an auf dem Weg nach Golgotha: An der Chorwand in 80 Metern Entfernung sieht er eine Kreuzigungsdarstellung auf einem monumentalen Ölgemälde vor sich, auf das er beim Durchschreiten des extrem langgezogenen Bauwerks zugeht.

Schöpfer des Bildes war Jean Claude Mono(t), über den man nicht sehr viel weiß. Mitte der 1690er-Jahre bestellte ihn Abt Albert Hausner für die Auftragsarbeit nach Waldsassen, nachdem er in Eger das Gemälde für den Hochaltar der Wenzelskirche angefertigt hatte. Von Monot stammen auch die ovalen Bilder über dem Chorgestühl sowie ein Altarbild auf der Kappl, außerdem fertigte er Altarbilder in Sulzbach und wohl auch in Pressath an.

Die Kunstgeschichte hat sich bisher noch nicht eingehender mit dem Monots Waldsassener Altarbild befasst. Zumindest lässt sich darüber aber das Folgende sagen:

Die Ikonografie ist, was die dargestellte Situation und die anwesenden Figuren betrifft, ausgesprochen traditionell. Seine besondere Wirkung erzielt das Werk durch seine Lichtführung. In dramatischem Chiaroscuro sind in dem extrem dunklen Bild vier Personen hervorgehoben, im Zentrum der Heiland. Er ist bereits verstorben und ihm wurde die Seitenwunde zugefügt – der Träger der Stichlanze ist links im Mittelgrund zu erkennen. Zum Gekreuzigten schauen in wilder Verzweiflung seine Mutter Maria (links) und sein Lieblingsjünger Johannes (rechts) empor, von deren Gegenwart beim Tod Jesu das Johannesevangelium erzählt. Sie sind die Patroziniumsheiligen der Stiftskirche. 

Die vierte, ebenfalls vom Licht des Heils angestrahlte Person ist Maria aus Magdala. Ihr offenes, also zur Schau gestellte Haar weist sie als (ehemalige) Prostituierte aus. Sie, die nicht unter dem Kreuz steht, sondern händeringend und tränenüberströmt direkt am Kreuzesstamm kniet, ist die Identifikationsfigur für die vor dem Bild meditierenden Gläubigen. Sie sollen sich an der bekehrten Sünderin ein Beispiel nehmen, ihnen wird aber ebenfalls die Hoffnung auf Erlösung durch Christi Opfertod zugesprochen.

Der schwarze Hintergrund symbolisiert nicht nur die Trauer über das Geschehen, sondern stellt die Finsternis dar, die sich am Mittag der Kreuzigung über das Land gelegt hat. Im Dämmer zwischen Vorder- und Hintergrund ist rechts zu Pferd der Zenturio zu sehen, der mit prophetischem Zeigefinger auf Jesus weist und wohl gerade die Worte spricht: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (Mk 15,39b).

Wie auf den meisten Altarretabeln, deren Hauptmotiv den Gekreuzigten zeigt, bildet der senkrechte Kreuzbalken die Mittelachse des Bildes. Seine Verlängerung nach oben führt die Augen der Betrachtenden zu einem Relief-Medaillon, das die Taube des Heiligen Geistes zeigt, und weiter zum Altar-Auszug mit dem ovalen Bild, auf dem Gottvater in der Engelsglorie über der Erdkugel zu sehen ist. Die Gesamtaussage der Motivgruppe ist also trinitarisch. Nach unten verlängert, führt die Linie des Kreuzes zum Tabernakel und zum Altartisch, wo (bis zur Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils) bei der Eucharistie der Leib und das Blut Christi auch konkret gegenwärtig waren. Ihre Präsenz wurde durch das Altarbild gleichsam verdoppelt.

Der – etwas überdimensionierte – Totenkopf zu Füßen des Kreuzes gehört ebenfalls zur traditionellen Kreuzigungs-Ikonografie. Es handelt sich um den Schädel Adams. Der Legende nach wurde das Kreuz über dem Grab des ersten Menschen errichtet. Hier ist ein theologischer Gedanke erzählerisch verarbeitet, der sich in 1 Kor 15,22 findet: „Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.“ So weist das karfreitägliche Altarbild bereits auf Ostern voraus.

 

 

Allen Leserinnen und Lesern des Kloster-Blog besinnliche Kartage und ein frohes Osterfest!

 

Lit.:

Hubel, Achim: Der Kirchenraum als künstlerischer und theologischer Kosmos, in: Stiftsbasilika Waldsassen. Raumgestaltung – Bewahrung – Instandsetzung, Regensburg 2017, 39–55, hier: 54.

Altmann, Lothar: Die Stiftsbasilika Waldsassen, in: Pfister, Peter (Hg.): Die Zisterzienserinnen in Waldsassen. „Die auf den Herrn vertrauen, schöpfen neue Kraft“, Regensburg 2020, 207–237, hier: 230.

 

Fotos und Bildbearbeitung: Ferdinand Sperber, Waldsassen.

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