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Waldsassen expressionistisch – Die Stiftskirche in einem Linolschnitt von Herbert Molwitz

Herbert Molwitz (1901–1970).
Herbert Molwitz (1901–1970).

Ein neuer Beitrag zur künstlerischen Rezeptionsgeschichte der Oberpfälzer Klöster ist der Online-Fund einer Grafik aus dem Frühwerk von Herbert Molwitz (1901–1970).

Dieser wurde im thüringischen Blankenhain geboren. Als sein Vater eine Stelle als Direktor der Porzellanfabrik Mosanic Pottery Max Emanuel & Co. in Mitterteich erhielt, zog die Familie 1913 ins Stiftland. Als junger Erwachsener studierte Molwitz zunächst Chemie, wandte sich dann aber der Kunst zu. Ab 1924 sind Zeichnungen von ihm überliefert, außerdem Linolschnitte wie der hier gezeigte. 1925 empfing er wichtige Impulse in der italienischen Künstlerkolonie Anticoli-Corrado. Ein anschließendes Grafik-Studium in Weimar brach er 1928 ab und lernte autodidaktisch weiter, vor allem durch die Beschäftigung mit den alten Meistern. Er machte sich als Künstler selbstständig und gewann sein Renommee durch Pflanzenstudien und durch seine Topographie der Oberpfalz. Bis 1959 lebte er in Mitterteich, dann verlegte er seinen Wohnsitz nach Tirschenreuth, wo er 1970 auch starb.

Molwitz‘ hier vorgestellter Druck hat ein Format von 14,1 x 12,8 Zentimetern, trägt den Titel „Waldsassener Kirche“ und ist neben der Unterschrift auf „[19]24“ datiert. Der Karton, auf den sie montiert ist, trägt außerdem die Bezeichnung „Original-Linolschnitt“.

Ansichtskarte von Waldsassen, ca. 1920.
Ansichtskarte von Waldsassen, ca. 1920.

Molwitz hat für seine Darstellung einen Betrachterstandort gewählt, auf den auch Postkartenverleger ausnehmend gern zurückgriffen und -greifen. Der recht grobe Einsatz des Hohleisens, die geschwungenen Linien an sich gerader Gebäudekanten und die Stachelkugeln der Baumkronen sorgen als zeittypische Stilmittel für eine enorme Dynamisierung der eigentlich statischen, weil menschenleeren Szenerie. Die auffälligste Besonderheit des Motivs sind die Strahlen oberhalb der Kirche. Sie stehen nicht etwas für das Licht der Morgensonne, vielmehr handelt es sich um zwei sich überschneidende Aureolen, die ihre Ausgangspunkte in den Turmhelmen haben. Das Gotteshaus erhält dadurch eine sakrale Würde, wie man sie in späteren Arbeiten Molwitz‘ nicht mehr finden kann, in denen er den expressionistischen Stil auch völlig aufgegeben hat.

 

Auswahlbibliographie:

Knedlik Manfred, „... ein moderner Merian“. Der Graphiker und Zeichner Herbert Molwitz (1901–1970), in: Heimatkalender für die Oberpfalz 20 (1996) 147–155.

Ders.: Die Harmonie der Schöpfung. Zum 100. Geburtstag von Herbert Molwitz, in: Pearl Harbour, Pech und Löwenkopf. Beiträge zur Geschichte unserer Heimat. Zwischen Fichtelgebirge und Böhmerwald (Landkreis-Schriftenreihe Bd. 13) Pressath 2001, 168–172.

Ders.: Die Landschaft als Kunstwerk. Zum 50. Todestag des Grafikers Herbert Molwitz (1901–1970), in: Rumroth, Tod und Porzelliner (Heimat Landkreis Tirschenreuth 32) Pressath 2020, 146–150.

Ders.: Herbert Molwitz. 1901–1970. Vom künstlerischen Reiz des Unauffälligen (Schriftenreihe der Stadt Mitterteich 5) Pressath 2020.

Ders.: Das Unauffällige hat er erwählt... Zur Erinnerung an den Grafiker Herbert Molwitz, in: Die Oberpfalz 109 (2021) H. 1, 49–55.

 

Abbildungen:

Georg Schrott (Linolschnitt und Ansichtskarte); Museum Mitterteich (Porträtfoto).

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