Ignaz Viktor Raab wurde 1715 im ostböhmischen Nechanice (Neuchanitz) geboren. Als Heranwachsender ging er in Jičín bei dem Maler Johann Georg Major (1691–1744) in die Lehre. 1744 trat er in das jesuitische Noviziat in Brünn ein. Bald erhielt er eine Reihe von Aufträgen in verschiedenen mährischen und böhmischen Kollegien, vor allem in Prag. Die Zeit nach der Ordensaufhebung 1773 verbrachte er überwiegend in Velehrad (Welehrad). Dort starb er 1787.
Eine Bestandsaufnahme von Raabs zahlreichen Werken hat nun Alois Epple veröffentlicht. Von seinem in Eigeninitiative entstandenen Privatdruck on Demand kann keine Qualität erwartet werden, wie sie für eine bezuschusste Fachpublikation mit Profi-Fotografen, Lektorat und fünfstelligen Herstellungskosten selbstverständlich wäre. Epple sieht in seiner Schrift „eher eine erste Arbeitsgrundlage, als ein ausgefeiltes Werk“ (S. 5). Seine Leistung besteht jedenfalls darin, auf Raab überhaupt aufmerksam zu machen und zu zeigen, welch umfangreiches Œuvre dieser – sicher nicht ohne Mitarbeiter – hervorbrachte und mit welchem Können. So ist zu hoffen, dass Epples Überblick als Anregung für eine weitere Beschäftigung mit dem Raab dienen wird. Durch die Publikation wird außerdem deutlich, dass das Phänomen der jesuitischen Künstler und Kunsthandwerker (man denke auch an den in Bayern weitaus bekannteren Johann Hörmann) eine eigene monographische Behandlung verdienen würde.
Dass bei einer regelrechten Massenproduktion religiöser Bilder stereotype Kompositionselemente nicht ausblieben, versteht sich. Doch Raab konnte so eine stattliche Menge von Auftraggebern mit Werken versorgen, bis 1773 vor allem verschiedene Jesuitenkollegien, danach beispielsweise die Prämonstratenser in Obrowitz und die Zisterzienser in Velehrad.
In die Oberpfalz gelangten seine Werke auf Umwegen. Raab hatte zwischen 1758 und 1771 120 Bilder zum Neuen Testament und der antiken Kirchengeschichte für das Clementinum, die Jesuitenniederlassung in der Prager Altstadt, gemalt. Nach der Aufhebung der Gesellschaft Jesu erwarb die Benediktinerabtei Kladruby einen großen Teil davon, wurde aber ihrerseits 1785 aufgelöst. 1795 kaufte die Abtei Waldsassen den Bilderzyklus. Im dortigen Frauenkloster befinden sich weiterhin an die 40 Gemälde von Raab. Andere kamen nach der Säkularisation von Waldsassen aus auf verschiedenen Wegen nach Neunburg vorm Wald (Arme Schulschwestern und Schwarzachtaler Heimatmuseum; S. 129ff.), in das Franziskanerkloster in Pfreimd (S. 154ff.), ins Regensburger Priesterseminar (S. 190ff.) und in die Pfarrkirche in Winklarn (S. 226f.).
In Waldsassen wirkte übrigens im Jahr 1796 auch kurz ein Schüler Raabs, Joseph Kramolin (1730–1802), bis 1773 ebenfalls ein Angehöriger der Gesellschaft Jesu. Er restaurierte hier einige Gemälde seines Lehrers und malte selbst zehn Bilder für das Kloster (S. 13).
Auf Raabs Werke in Waldsassen konnte Epple zum Zeitpunkt der Drucklegung nur sehr kursorisch eingehen: „Im Kloster hängen anscheinend mehrere Bilder von Raab“ (S. 223). Da das Klosterarchiv mittlerweile der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurde, ließ sich diese Lücke aber nun schließen. Im Tagungsband „ARTES. Kunst und Künste in Oberpfälzer Klöstern“, der 2024 erscheint, wird als zusätzlicher Beitrag ein Überblick Epples über Raabs Bilder in Waldsassen zu finden sein.
Lit.:
Epple, Alois: Ignaz Viktor Raab (1715–1787) – ein böhmischer Barockmaler, Norderstedt 2023.