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Der Pfarrhof in der ehemaligen Waldsassener Klosterpfarrei Wondreb

Im 18. Jahrhundert gehörten der Abtei  Waldsassen eine Reihe von Pfarreien. Ein Teil von ihnen wurde von den Mönchen selbst pastoriert. Mindestens zwei Klostergeistliche  lebten dann als Expositi in den Pfarrhöfen, die dementsprechend eingerichtet werden mussten.

Der Wondreber Pfarrhof erhielt seine derzeitige architektonische Gestalt im Jahr 1726. Man sieht es der geräumigen Vierflügel-Anlage an, dass sie noch weitere Funktionen zu erfüllen hatte. Sie war auch Ökonomiehof und diente darüber hinaus als Sommersitz des Klosters. Abt Alexander Vogel (reg. 174456), der sein Amt ruhen lassen musste, nachdem er eines sexuellen Verhältnisses bezichtigt worden war, lebte hier für längere Zeit bis zu seiner Rehabilitation im Jahr 1752.

Der Bau wird Johann Jakob Philipp Muttone (16991775) zugeschrieben, der 1733 die Profess als Laienbruder im Kloster Waldsassen ablegte. Als Klosterbaumeister betreute er die Neu- und Umbauten von verschiedenen Kirchen und Pfarrhöfen. Seine markantesten Werke sind das Schloss Fockenfeld, der Getreidekasten in Waldsassen, der Waldsassener Kasten in Weiden, die Muttone-Brücke im Waldsassener Klostergarten und die Tirschenreuther Fischhof-Brücke. 

Als eine Art Signatur des Muttones gilt ein Motiv, das man an der Südwestecke des Gebäudes findet: „Über einem hohen Postament setzt im Obergeschoß eine [Drei-] Viertelsäule an, die von zwei Pilastern gerahmt wird" (Knipping/Raßhofer, 318). Man findet ähnliche Ecklösungen an einer Reihe weiterer stiftischer Gebäude.

Nach der Säkularisation war das Wondreber Ensemble  zu groß für eine Nutzung allein als Dorf-Pfarrhof, sodass man über Alternativen nachdachte, beispielsweise über die Einrichtung einer Försterwohnung.

Mehr als ein Jahrhundert lang enthielt der Bau außerdem die Bibliothek des Tirschenreuther Dekanates, dessen Bestand zu einem erheblichen Teil aus der Wondreber Pfarrbibliothek bestand, die sich bis 1803 angesammelt hatte. Bei der Säkularisation waren zwar die Bücher der Waldsassener Stiftsbibliothek konfisziert und anschließend in die Provinzialbibliothek Amberg abgeführt worden. Die Pfarrbibliotheken ließen die Aufhebungskommissäre aber offenbar unangetastet. So auch in Wondreb. Die hier noch lagernden Bücher überließ König Ludwig I. im Jahr 1838 dem Dekanat (oder auch Ruralkapitel) Tirschenreuth als Dauerleihgabe. Sie sollten mit dem Nachlass des ehemaligen Mönchs und späteren Pfarrers P. Johann Baptist Renner aus Großkonreuth vereinigt und  in den Tirschenreuther Pfarrhof überführt werden. Aus unbekannten Gründen verblieben sie jedoch dauerhaft in Wondreb. Die Supraporte zum Bibliotheksraum ist noch immer im Pfarrhof zu sehen. Der Bestand dürfte zu einem großen Teil erhalten sein, wurde aber schließlich wohl nicht mehr genutzt. 1933 oder später überführte man ihn in den Waldsassener Bibliotheksaal.

Wie man eine Immobilie dieser Größe in einer kleinen dörflichen Gemeinde heute nutzen könnte, ist eine offene Frage...


LITERATUR:

Ascherl, Heinrich: Frater Muttone. Barockbaumeister des Stiftlands, in: Oberpfälzer Heimat 10 (1966) 55–59.

Bergmann, Rudolf Maria: Bauen im Schatten der Welt. Johann Philipp Jakob Muttone (1699–1775), Architekt im Stiftland, in: Barockzeit zwischen Fichtelgebirge und Böhmerwald (vhs-Schriftenreihe zur Landes- und Volkskunde 8) Pressath 1996, 87–118.

Binhack, Franz: Geschichte des Cisterzienserstiftes Waldsassen von der Wiederherstellung des Klosters (1661) bis zum Tode des Abtes Alexander (1756) nach Manuskripten des P. Dionysius Huber, Regensburg – Amberg 1888, 174–186.

Giersch, Robert: Die Pfarrhöfe des Stifts Waldsassen im Landkreis Tirschenreuth und ihre Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert, in: Detlef Knipping / Gabriele Raßhofer: Landkreis Tirschenreuth. Ensembles – Baudenkmäler – Archäologische Denkmäler (Denkmäler in Bayern III.45) München: Lipp 2000, LXXXIX–CIII, hier: XCVII.

Knipping, Detlef/Raßhofer, Gabriele: Landkreis Tirschenreuth. Ensembles – Baudenkmäler – Archäologische Denkmäler (Denkmäler in Bayern III.45) München 2000, 318.

Schrott, Georg: Die Dekanatsbibliothek Tirschenreuth. Ein bisher unbeachteter Buchbestand und seine Geschichte, in: Jahrbuch für Buch- und Bibliotheksgeschichte 4 (2019) 77–105.

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