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Sr. M. Mechtildis Hiebler OCist von Waldsassen als Komponistin

Im Zuge von Renovierungsarbeiten in der Stiftskirche der Zisterzienserabtei Schlierbach wurde kürzlich altes Notenmaterial gesichtet und geordnet. Dabei kamen drei Kompositionen einer Waldsassener Zisterzienserin zum Vorschein.

Die Komponistin

Bei der Komponistin handelt es sich um Sr. M. Mechtildis Hiebler (1867–1953), die ihre Profess 1892 in Waldsassen ablegte. Pfister zitiert aus den Klosterarchivalien folgende Charakterisierung: „Sie hatte ein ausgesprochen musikalisches Talent und hatte nach alter Norm das Staatsexamen in Gesang, Violine und Klavier abgelegt. Als Musiklehrerin im Institut leistete sie Staunenswertes. Sie war immer die Seele der Aufführungen bei Namensfesten, Weihnachtsfeiern und anderen festlichen Anlässen, leitete auch das Orchester und einige Jahre das Theater. [...] Im Kloster versah sie mehrere Jahre das Amt der Kantorin. Sie verfügte über eine sehr schöne Sopranstimme.“

Die Kompositionen

Bei Sr. Mechtildis' Liedern handelt es sich um Gelegenheitskompositionen zu festlichen Anlässen. Das „Wiegenlied“ ist eine Neu-Vertonung des Kirchenliedes „O Jesulein zart“, dessen Text von Friedrich Spee von Langenfeld SJ (1591–1635) stammt. Seine konfessionsübergreifende Beliebtheit ist daran ablesbar, dass man es selbst in Johann Sebastian Bachs Œuvre findet (BWV 493). Sr. Mechthilds Version entstand zum Weihnachtsfest 1921.

Im Januar 1922 komponierte sie das Lied „O Domina mea“. Der Text entstammt der Gedichtsammlung „O Stern und Blume Geist und Kleid“ eines M. Herbert, gedruckt 1914 in Regensburg.

 

Noch im selben Monat entstand als Namenstags-Geschenk das Lied „Maria hilf!“. Bei dem Empfänger, dem Beichtvater „P. Alberich“, handelt es sich um Alberikus Maucher OCist, Mönch in der Mehrerau und von 1921 bis 1924 nach Waldsassen abgeordnet.

Der Text dieses Liedes stammt übrigens von einem gebürtigen Tirschenreuther. Der Kapuziner P. Dominikus Schuberth (1832–87) war Herausgeber und Übersetzer des „Täglichen Ehrenpreises der Mutter Gottes“, in dem er die geistliche Lyrik seines katalanischen Mitbruders Josep de Calassanç in deutscher Sprache nachdichtete. So ist Sr. Mechthilds Komposition zugleich ein erster Rezeptions-Beleg für Schuberths Mariale.

Das Weihnachtslied wurde zweistimmig mit Klavier- oder auch Orgelbegleitung gesungen. Die beiden anderen Lieder sind für mehrstimmigen Frauenchor a capella geschrieben. Alle könnten von Waldsassener Institutszöglingen zur Aufführung gebracht worden sein.

Sr. Mechtildis hat handwerklich solide Gebrauchsmusik komponiert. Die Stücke enthalten einige auffällige harmonische Wendungen mit deutlich romantischer Färbung. Die Chorlieder verlangten gute Sängerinnen und einiges Üben. Die Stimme des zweiten Alt ist oft auffällig tief. Das Wiegenlied „O Jesulein zart“ hat, wie in weihnachtlicher Musik üblich, einen gewissen pastoralen, volkstümlichen Charakter.

Klosterkultur im frühen 20. Jahrhundert

Der Schlierbacher Archivfund ist aus verschiedenen Gründen mikrogeschichtlich interessant. Er gibt Einblicke in die Festkultur des Konvents und in die marianische Prägung der klösterlichen Spiritualität. Deutlich wird auch, wie die Kulturarbeit und der Schulbetrieb des Zisterzienserinnen-Priorats die Potentiale und Talente von Frauen förderten, die in dieser Zeit anderswo in der Oberpfalz überwiegend nur von Männern ausgelebt werden konnten.

 

 

Herzlichen Dank an Andreas Sagstetter, Waldsassen, für die Mitarbeit und an Abt Nikolaus Thiel, Zisterzienserstift Schlierbach, für die Überlassung des Materials und der Bildrechte.

 

 

Lit.:

Herbert, W.: O Stern und Blume Geist und Kleid, Regensburg 1914 (Text von „O Domina mea!“).

Joseph von Llevaneras [= Calassanç, Josep de]: Täglicher Ehrenpreis der Mutter Gottes. Aus den Ehrentiteln der heiligen Väter, Lehrer und frommen Dichter gewoben (Hg./Übers. Dominikus Schuberth), Augsburg 1887, 51 (Text von „Maria hilf!“).

Pfister, Peter: Der Konvent der Zisterzienserinnenabtei Waldsassen 1864–1960 , in: ders. (Hg.): Die Zisterzienserinnen in Waldsassen. „Die auf den Herrn vertrauen, schöpfen neue Kraft“, Regensburg 2020, 293–321, hier: 297 (Biogramm).

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