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Japonia: Odilo Schreger als Kompilator von Japanwissen

Ritueller Selbstmord durch Bauchaufschneiden (Seppuku) – Abbildung in Franciscis „Geschicht- Kunst- und Sitten-Spiegel“.
Ritueller Selbstmord durch Bauchaufschneiden (Seppuku) – Abbildung in Franciscis „Geschicht- Kunst- und Sitten-Spiegel“.

Bei den Untersuchungen am Material für die bevorstehende Ausstellung „Japonia. Bilder von Japan in den Büchern der Provinzialbibliothek Amberg“ bot sich die Gelegenheit, dem Ensdorfer Mönch und Autor Odilo Schreger (1697–1774) bei der Arbeit über die Schulter zu schauen.

In mehreren seiner Bücher trug er unterhaltsames Weltwissen zur niedrigschwelligen Bildung seiner Leser zusammen. Wie er bei seinen Kompilationen vorging, kann beispielsweise dem Kapitel „Wunderliche Manier zu sterben“ in seinem Buch „Zu nutzlicher Zeit-Anwendung Zusamm getragener Auszug Der Merckwürdigsten Sachen“ entnommen werden.

Für die Absätze über Japan griff Schreger auf Hazarts „Kirchen-Geschichte“ zurück, deren erster Band mit einer „Geschichts-Schreibung deß Wasser-Lands JAPON“ einsetzt. Schregers Mitbruder und späterer Abt Anselm Desing (1699–1772) hatte im Jahr 1734 ein Exemplar auf eigene Kosten angeschafft, wie auf dem Innendeckel zu lesen ist. Die heutige Beschaffenheit des Papiers lässt erkennen, dass das Buch häufig durchgeblättert wurde.

Hazart führt mit erkennbarem Kopfschütteln direkt hintereinander zwei Beispiele für die Todesbereitschaft japanischer Menschen an. Schreger übernimmt diese Abfolge, paraphrasiert den Text und kürzt ihn etwas, zitiert ihn dabei kaum wörtlich. Eine Quellenangabe findet man bei ihm nicht. Hier die beiden Versionen in Gegenüberstellung:

Hazart

Schreger

Bey Ableibung eines Lands- oder Reichs-Herren/ finden sich nach Hochheit seiner Würde/ oder Anzahl der untersassen/ zehen/ zwantzig/ ja dreissig/ welche auß eingebildeter Pflicht-Schuldigkeit/ ihnen selbst grausam den Leib auffschneiden [...] Viel verbinden sich zu diesem Todten-Dienst noch bey Lebzeiten [...] Dieses Erbiethen wird alsdann/ zu gewisser Uhrkund/ mit einem Trunck Weins bekräfftiget [...] Demnach deß verblichenen nechst-Anverwante im Götzen-Hauß versamlet/ und mitten in dem Tempel aufff außgebreiten Kleidern/ oder Rohr-Matten das letzte Scheidmahl mit höchstem Frohlocken eingenommen/ tretten diese selbst-Mörderer herfür/ schneiden sich Creutzweiß in den Leib hinein/ daß das Gedärm und aller Unflath herauß breche.

In dem Königreich Japan in Asien, wann ein vornehmer Herr stirbt, so pflegen sich alle seine Diener selbst hinzurichten, und den Bauch aufzuschneiden. So bald ihr Herr gestorben, ruffen sie alle ihre Befreunden zusamm, und gehen mit ihnen in einen Tempel; allda setzen sie sich in der Mitte auf eine Decke nider, halten mit einander gleichsam das Hencker-Mahl in Freuden, Fressen und Sauffen tapfer darauf, und nachdem sie den Leib wohl angefüllet, geben sie ihnen auf dem Bauch einen Creutzschnitt, daß das Gedärm herfür dringet.

Als ein Land-Fürst vor sein aygene/ oder Kayserliche Festung ein hohes Gemäur zu füglicher Beschirmung gegen feindlichem Anfall auffzuführen gesinnet/ bieten sich auß dessen Bedienten manche dar/ mit inständiger Bitt/ sie mit dieser Ehr zubegünstigen/ daß sie zum grund-Stein darauff das völlige Gebäw geführt/ mögen untergeleget werden/ auß thorechter Zuversicht/ daß selbe demnach von allen widrigen oder unglücklichen Zufall werd befreyet seyn [...] Im Fall nun einem solches in Gnaden zugelassen/ wirfft er sich alßbald unterst zur Erden/ umfanget den ungeheuren Baw-Stein mit beyden Armen/ und wird also durch dessen einfallende Schwäre jämmerlich zerquetschet und zerpresset.

Eben in diesem Reich Japan, wann ein vornehmer Herr ein solches Gemäuer aufführen lasset, so betten ihn seine Diener, die Ehr zu haben, daß sie sich unter die Mauer legen därffen; dann sie glauben, daß ein solche Mauer, da lebendig Menschen-Fleisch freywillig untergelegt ist, vester stehen, und länger dauren werde. Wann nun solches ihr Herr verlaubet, legen sie sich lebendig in das Fundament, und lassen die gröste Steine auf ihren Leib legen, von welchen sie alsobald zerknirschet werden.“

Lit.:

Hazart, Cornelius/Soutermans, Mathias (Übers.): Kirchen-Geschichte, Das ist: Catholisches Christenthum, Durch die gantze Welt ausgebreitet ... Der Erste Theil ..., Wien – München 1727, 12; Provinzialbibliothek Amberg: H. eccl. 37(1.

Schreger, Odilo: Zu nutzlicher Zeit-Anwendung Zusamm getragener Auszug Der Merckwürdigsten Sachen..., Stadtamhof 21756, 598f.; Provinzialbibliothek Amberg: Varia 101.

 

Abb.:

Francisci [= Finx], Erasmus: Ost- und West-Indischer wie auch Sinesischer Lust- und Stats-Garten..., Nürnberg 1668, Taf. V bei S. 394; Provinzialbibliothek Amberg: Geogr. 10.

Hazart (wie oben), vorderer Innendeckel und Titelseite.

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