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Heilige Leiber im Faschingszug

In der Barockzeit und noch einmal in der Zeit des Ultramontanismus genossen die Heiligen Leiber, erworben aus den Katakomben in Rom, in der Waldsassener Stiftsbasilika hohe Verehrung. Allerdings gab es schon in der Aufklärung Kritik am Kult um die Katakombenheiligen. Auf Unverständnis stieß er natürlich besonders auf protestantischer Seite. In der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts, die sich der Ära des Barock ansonsten intensiv zuwandte, wurden sie weitgehend ignoriert. Eher waren es kunsthandwerkliche Praktikerinnen, die an die gestalterischen Arrangements der Gebeine durch Fr. Adalbert Eder anknüpften und die „Edertechnik“ zu einem regelrechten Fachausdruck adelten. Dass die Skelette in Zeiten der „denial of death“ (Ernest Becker) bei Kirchenbesuchern immer wieder Schrecken auslösten, verwundert nicht. Allerdings entstand gerade daraus auch eine neue Faszination, empfunden von Menschen mit Affinität zur Gothic-Kultur.

Am vergangenen Rosenmontag kam nun eine neue Rezeptionsweise dazu: die satirische Auseinandersetzung. Anlass war eine BILD-Reportage im Mai 2022 über das Waldsassener Reliquien-Ensemble, die ebenfalls auf die Angstlust der Menschen spekulierte. Das zeigt schon der Titel: „In dieser Gruselkirche beten sie zu Skeletten“. Während die öffentliche Online-Fassung („Diese Kirche ist (k)eine Geisterbahn“) vergleichsweise sachgemäß formuliert ist, erfüllte die Print-Version die typischen Klischees des BILD-Journalismus.

Im Ortsteil Münchenreuth sah man sich veranlasst, sich dieses Elaborats im diesjährigen Faschingszug anzunehmen. Die Heiligen Leiber, in Anlehnung an Eders Design mit Goldattributen verziert, marschierten leibhaftig durchs Dorf. Angeführt wurden sie vom „Herrn der Knochen“, dem Waldsassener (und Münchenreuther) Pfarrer Dr. Thomas Vogl höchstpersönlich. Sankt Deodatus, die heilige Ursa und die anderen acht Heiligen Leiber sind einfach nicht totzukriegen.

Zur Rezeption der Heiligen Leiber von Waldsassen:

Schrott, Georg: Heilige Leiber in den Ordenskirchen der Oberen Pfalz. Bestandsaufnahme – Quellenfunde – Interpretationen, in: Mors. Tod und Totengedenken in den Oberpfälzer Klöstern. Symposion vom 20. bis 21. Juni 2018 in der Provinzialbibliothek Amberg (Hgg. ders./ Christian Malzer) Amberg – Kallmünz 2019, 179–226, hier: 200–204 u. 216–222.

 

Abbildungen mit freundlicher Erlaubnis von der Facebook-Seite der Pfarrei Waldsassen.

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