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Waldsassener Roteln

Starb im 17. und 18. Jahrhundert ein Mönch oder ein Chorherr, so war es allgemein üblich, dass Klöster eine sogenannte Totenrotel verschickten, eine Todesanzeige, in der konföderierte Konvente gebeten wurden, eine vertraglich vereinbarte Gebetsleistung für die Seele des Verstorbenen zu erbringen. Gerade zwei Rotelsammlungen aus der heutigen Oberpfalz – diejenige aus den Benediktinerabteien Ensdorf und Sankt Emmeram – sind hier aufschlussreiche Quellencorpora, deren Digitalisate bequem online zur Verfügung stehen.

Auffällig ist, dass fast alle bayerischen Abteien als Rotel-Urheberinnen greifbar sind, nicht aber das Stift Waldsassen. Nun haben sich aber zwei Waldsassener Todesanzeigen im Generallandesarchiv Karlsruhe ausfindig machen lassen. Dorthin waren sie nach der Säkularisation aus dem Archiv von Salem gelangt, dem Zentralkloster der Oberdeutschen Zisterzienserkongregation. Es handelt sich um Roteln für Abt Wigand Deltsch und für P. Gerwig Riedl, beide im Jahr 1792 verstorben. In gedruckte Blanco-Formulare (sicher aus der Waldsassener Offizin Hölbling) wurden handschriftlich jeweils die erforderlichen Informationen eingetragen.

Ein längerer Roteltext mit ausschweifender Funeralrhetorik war auch in anderen Ordenshäusern um diese Zeit nicht mehr allgemein üblich, wie etwa Parallelen aus dem benachbarten Speinshart zeigen. Trotzdem weisen die Waldsassener Exemplare im Vergleich zu anderen klösterlichen Todesanzeigen Besonderheiten auf. Zum einen sind dies die Adressaten: Die Verstorbenen werden „den üblichen Fürbitten im Heiligen [Zisterzienser-] Orden und in der [Oberdeutschen Zisterzienser-] Kongregation“ („consuetis in Sac. Ord. & Congregatione Suffragiis“) anvertraut. Das erklärt auch, warum man in benediktinischen Rotelsammlung nie Waldsassener Exemplare findet. Unterzeichner ist überdies nicht, wie sonst üblich, der Abt oder der Prior, sondern der Kantor – eventuell, weil er für das liturgische Gebetsgedenken im Kloster zuständig war.

Sicher wurde das Rotelformular in größerer Auflage gedruckt und auch für andere verstorbene Mönche verwendet. Weitere Recherchen im Karlsruher Archiv dürften dies bestätigen.

Warum sich aber Waldsassen – anders als beispielsweise die Zisterzienserabtei Walderbach – von den Gebetsverbrüderungen der Nachbarklöster fernhielt, bleibt weiterhin eine offene Frage.

 

Lit.:

Hirtner, Gerald: Die frühneuzeitlichen Totenroteln der Oberpfälzer Stifte. Überlieferung, Strukturen, Aussagen, in: Mors. Tod und Totengedenken in den Oberpfälzer Klöstern. Symposion vom 20. bis 21. Juni 2018 in der Provinzialbibliothek Amberg (Hgg. Georg Schrott/Christian Malzer) Amberg – Kallmünz 2019, 137–177 (mit weiteren Hinweisen).

 

Abgebildete Quellen:

Generallandesarchiv Karlsruhe 98, No. 2940: „Kloster Waldsassen, insbesondere über Wahl und Weihe der Äbte und über Visitationen des Klosters“; alle Veröffentlichungs- und Vervielfältigungsrechte beim Landesarchiv Baden-Württemberg.

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