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Überraschende „Enthüllung“ – das „VELVM ICARIAE, RE-VELATVM“

Oberpfalz-Karte in der „ICARIA“ (BSB M: P.o.lat.224).
Oberpfalz-Karte in der „ICARIA“ (BSB M: P.o.lat.224).

Die Reisesatire „ICARIA“ des Jesuiten Johannes Bissel (1601–82) hat der Literaturgeschichte und der Oberpfälzer Historie einiges Kopfzerbrechen bereitet. Der Autor, der 1632 auf der Flucht vor den Truppen Gustav Adolfs durch die Obere Pfalz reiste und seine Eindrücke 1637 veröffentlichte, verschlüsselte auf fantasievolle Weise die Orts- und Personennamen seiner Darstellung. Die Naab wurde zu „Banis“, Amberg zu „Salomonia“, das Kloster Reichenbach zu „Divitamnia“, Walderbach zu „Vallamnia“, Sankt Emmeram zum „Cassineum“ und das Regensburger Jesuitengymnasium zum „Parnassus Tiberiensis“. Die Namen entstanden also beispielsweise durch Anagrammierung, Latinisierung oder durch symbolische Benennungen.

Wer Bissels Codewörter entschlüsseln wollte, musste durch den Abgleich zwischen den Wortbestandteilen und dem Kontext ihren Sinn ermitteln. Dann fand man in einem Exemplar der Auflage von 1667 in der Staatlichen Bibliothek Regensburg eine handschriftliche „Clavis“, die beim Dechiffrieren half. Das Hilfsmittel erwies sich allerdings als trügerisch. Beispielsweise ist darin der Ort „Interstagnia“ wörtlich mit „Mitterteich“ übersetzt, in Wahrheit handelt es sich um eine komprimierte Lagebeschreibung der Stadt Tirschenreuth zwischen zwei großen Teichen.

Bei neuerlichen Recherchen konnte nun ein gedrucktes „VELVM ICARIAE, RE-VELATVM“ aufgespürt werden, allerdings nur in einem einzigen Exemplar in den historischen Beständen der Universitätsbibliothek Eichstätt-Ingolstadt (Signatur: 04/1 N II 671). Es entstand wie die „ICARIA“ selbst 1637 in der Ingolstädter Druckerei Hänlin und kann als „offizieller“ und korrekter Schlüssel zu Bissels Reisebuch gelten. Die zehn Seiten waren offenbar dafür gedacht, Exemplaren der „ICARIA“ beigebunden zu werden.

Die Universitätsbibliothek reagierte auf eine Anfrage zu dem Druck mit der sofortigen Bereitstellung eines Online-Digitalisats, sodass man nun bequem von jedem Schreibtisch aus damit arbeiten kann.

Lit.:

Bisselius, Johannes: ICARIA, Ingolstadt 1637.

 

Dazu beispielsweise:

Pörnbacher, Hans: Zuflucht in Icarien. Die Oberpfalz in der Dichtung des Johann Bisselius, in: Gustl Lang. Leben für die Heimat (Hgg. Konrad Ackermann/Georg Girisch) Weiden 1989, 77–86.

Wiegand, Hermann: Die Oberpfalz im konfessionellen Umbruch: Eine jesuitische Reisesatire aus dem Jahr 1632, in: Becker, Hans-Jürgen (Hg.), Der Pfälzer Löwe in Bayern. zur Geschichte der Oberpfalz in der kurpfälzischen Epoche (Schriftenreihe der Universität Regensburg 24) Regensburg 1997, 130–156.

Schrott, Georg: „Schein-Venedig & Zwischenteichen“. Die Schilderung Tirschenreuths in Johannes Bisselius’ Reisebericht „Icaria“ (1632), in: Stiftland – Egerland – Kulturland. Festschrift zum 36. Bayerischen Nordgautag in Tirschenreuth, Regensburg 2008, 105–110.

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